Am 5. Juni 2025 war es endlich soweit: Nach langer Verhandlungszeit gab es einen Anlass, einen Erinnerungsort in Bad Vilbel einzuweihen. Und OMAS waren dabei.
Doch der Reihe nach. Bürgermeister Wysocki begrüßte pünktlich um 18 Uhr im Bereich Frankfurter Straße 95 – 97 so viele Magistratsmitglieder, dass Beschlüsse hätten gefasst werden können, wie er launig bemerkte, Frau Vered Zur als Vertreterin der jüdischen Bürgerinnen und Bürger, Frau Britta Weber von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit im Wetteraukreis, sowie zahlreich erschienene Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bad Vilbel. In seiner Ansprache rekapitulierte er die Geschichte der Vilbeler Juden und der Häuser mit der jetzigen Adresse Frankfurter Straße 95 – 97.



Eine stetig gewachsene jüdische Gemeinschaft erwarb die Liegenschaft im Jahr 1806. Nach Umbauarbeiten befanden sich im hinteren Gebäude Synagoge, Schule sowie eine neu angebaute Mikwe, das rituelle Tauchbad. Das vordere Haus wurde als Gemeindehaus genutzt. Sie lebten in der Gemeinde des Ortes als Kaufleute, Handwerker, Arbeitende, Lehrer. Sie beteten, lernten, feierten und lebten wie alle Menschen in Vilbel. An diese Leben erinnern die von Günther Demnig initiierten Stolpersteine, der jüdische Friedhof – und eigentlich auch die Häuser Frankfurter Straße 95 – 97.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten änderte sich alles für die Vilbeler Juden. Synagoge und Gemeindehaus blieben unzerstört, weil die jüdische Gemeinde die Liegenschaft vor dem Pogrom verkaufte – verkaufen musste. Inneneinrichtung und rituelle Gegenstände wurden jedoch herausgerissen und öffentlich verbrannt.
Nach dem Krieg gab es kein jüdisches Leben mehr in Vilbel. Und dann kam Rafael Zur aus Israel zurück nach Deutschland. In Bad Vilbel lebt nun seine Tochter, Vered Zur, und sie erinnerte in ihrer bewegten und bewegenden Rede mehrmals an ihn. Rafael Zur versuchte, die ehemalige Synagoge mit Unterstützung des damaligen Bürgermeisters Günther Biwer für die jüdische Gemeinde zurück zu kaufen. Vergebens. Bis heute ist sind die Häuser in Privatbesitz.
Ein wichtiger Teil ihrer Rede soll hier zitiert werden:
„….. Für mich ist dies kein abstrakter Ort. Hier haben Menschen gebetet, Kinder spielten im Hof, es wurde gefeiert, gehofft – bis alles gewaltsam beendet wurde. Was hier war, wurde nicht einfach vergessen – es wurde verdrängt. Dass wir heute daran erinnern, ist notwendig – gerade in einer Zeit, in der Antisemitismus wieder offen zutage tritt. Auch heute erleben wir wieder einen Anstieg von Antisemitismus. Jüdisches Leben in Deutschland steht unter Druck.
Erinnerung allein genügt nicht. Wir leben in einer Zeit, in der jüdische Menschen wieder Angst haben, eine Kippa zu tragen. In der Synagogen unter Polizeischutz stehen. In der Hass auf Jüdinnen und Juden erneut laut wird – online, in Parlamenten, auf offener Straße. Diese Bodenplatte ist nicht genug. Aber sie ist ein Anfang, das Vergessene wieder sichtbar zu machen.
Ich wünsche mir, dass dieser Ort offen bleibt – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Dass die getroffene Vereinbarung eingehalten wird. Dass man hinschauen kann, wo lange weggesehen wurde. Und dass dieser Ort nicht wieder im Schatten verschwindet. ……“
Sowohl Herr Wysocki als auch Frau Zur erwähnten die komplizierten Verhandlungen mit dem Eigentümer der privaten Liegenschaft, nachdem die Stadtverordneten-Versammlung 2022 beschlossen hatte, auf öffentlichem Grund auf die ehemalige Synagoge in geeigneter Weise aufmerksam zu machen. Sie bedankten sich bei allen, die das Ergebnis, die Bodenplatte auf öffentlichem Grund, ermöglichten. Ein Teil der Vereinbarung, die Frau Zur erwähnte, ist es zu ermöglichen, die ehemalige Synagoge von außen zu betrachten und dazu auch das Grundstück zu betreten.

Nach den beiden Reden wurde das schwarze Tuch gemeinsam von Herrn Wysocki und Frau Zur weggezogen und die Bodenplatte sichtbar. Smartphones nahmen die Szene auf, begeistert wurde applaudiert. Herr Wysocki verlas den Text auf der Bodenplatte, und die Gespräche unter den Anwesenden Gästen wurden aufgenommen.
Die Einweihung war beendet, und OMA Regina stellte fest, dass wir nun gut auf die Bodenplatte aufpassen müssten.
Die historischen Aufnahmen der Gebäude sind dem Buch „Geschichte der Vilbeler Juden“ von Berta Ritscher entnommen.