Die Veranstaltung war sehr gut besucht. Frau Prof. Dr. Eva Walther hat einen kurzweiligen und interessanten Vortrag gehalten. Die anschließende Diskussion war sehr lebendig. Und anschließend haben sich für uns viele neue Kontakte ergeben. Darüber freuen wir uns ganz besonders. Der Freundeskreis Bad Vilbeler Bürger hat die Veranstaltung super vorbereitet. Ein herzliches Dankeschön dafür. Eine unserer Omas und ein Opa hat die Veranstaltung zusammengefasst:
Vortrag von Frau Prof. Dr. Eva Walther,
17.05.24 in Bad Vilbel
Rechtsextremismus – psychologisch betrachtet
Welche Rolle spielen Emotionen in der öffentlichen politischen Diskussion ?
Warum wählen Menschen die AfD, obwohl die AfD gar nicht ihre Interessen vertritt?
= AfD- Paradox
Die Wirkung der AfD basiert nicht auf überzeugender Sachpolitik sondern vielmehr auf psychologischen Faktoren:
Grundlegende menschliche Bedürfnisse sind durch die aktuelle gesellschaftliche Situation
mit ihren vielfachen Krisen wie Kriege, Migration, Klimawandel u.s.w bedroht.
Die AfD verspricht die Befriedigung dieser Bedürfnisse in drei zentralen Konfliktfeldern:
Ökonomie, Identität, Vertrauen,
Dazu bietet sie scheinbare Lösungen an.
1. Ökonomie
Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach materieller Sicherheit.
Bei wachsender sozialer Ungleichheit und Unsicherheit können materielle Verlustängste entstehen.
Die AfD bietet folgende Scheinlösung an:
z.B. exklusive Sozialleistungen für sogenannte „Deutschstämmige“.
Dies wirkt hauptsächlich auf Arme, Prekäre und Abstiegsängstliche Menschen.
2. Gesellschaft, Identität
Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach positiven Selbstwert (möchte geliebt werden).
Es ist wichtig, dass die Menschen in der der Gesellschaft die Chance auf Wertschätzung erhalten.
So führt die gesellschaftliche Liberalisierung zur Abnahme der Wertschätzung
althergebrachter Lebensformen und zur Abnahme patriarchaler männlicher Selbstwertvorstellungen.
Aus dem Mangel an Wertschätzung und an Bedeutung kann ein regelrechter „Bedeutungshunger“ werden (weniger zu bekommen als andere)( Relative Deprivation).
Bedeutungsdeprivierte Menschen neigen dazu sich radikalen Gruppen anzuschließen.
Die AfD bietet folgende Scheinlösung :
u.a. Restauration der Männlichkeit, Heldennarrative,
Fremdgruppenabwertung (Migranten, LGBTQIA+, u.a. ).
Selbstaufwertung durch Abwertung anderer.
Wirkt hauptsächlich auf Konservative.
3. Politik, Vertrauen, Kontrolle
Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach Sicherheit, Kontrolle und Selbstwirksamkeit.
Die Verunsicherung dieses Bedürfnisses durch aktuelle vielfältige Krisen (wie z.B. Kriege, Klimawandel) und deren Umgang in Medien u. Politik können zu Mangel an Transparenz und Vertrauensverlust führen.
Unklare Faktenlage und Fake News bewirken Unsicherheit und epistemischen Stress (was stimmt eigentlich ?).
Wird dieses Bedürfnis in Medien und Politik enttäuscht, verlieren die Personen das Vertrauen, etwas bewirken zu können d.h. ein Kontrollverlust wird erlebt
Die AfD bietet folgende Scheinlösung an:
u.a. unterkomplexe Antworten auf komplexe Ursachen von Krisen.
Sie wollen dem Establishment ´den Marsch blasen`
Die Flüchtlingskrise beherrschen, z.B. durch Deportation
Wirkt hauptsächlich auf Enttäuschte, Nicht Wähler
„ Der populistische Agitator verführt seine Zuhörer nicht, er greift in fast schlafwandlerischer Sicherheit deren Bedürfnisse auf „
(Decke und Brähler 2018, S.10)
Emotionen in der Gesellschaft:
Emotionen fühlen sich immer „wahr“ an, schaffen Gemeinschaft
Emotionen fühlen sich authentisch an / Gefühle teilen
Emotionen schaffen Kontrolle: z.B.: Wut auf die Ampel
Lösungsansätze:
Politik muss Emotionen aufgreifen und die Menschen bei ihren Bedürfnissen ernst nehmen und abholen
Utopien schaffen
Angebote positiver kollektiver Identität , z.B. zivilgesellschaftliche Bündnisse
Soziale Sicherung auf soliden Boden stellen
Fokus auf Stärkung der liberalen Demokratie
Zurückeroberung der polit. Agenda
Präsenz zeigen in der Öffentlichkeit und auch auf den sozialen Medien
„Alle mitmachen “ beim Projekt: Demokratie hochhalten !
( Zitat aus Walther & Simon, 2019) :
„Ausblick …
… Anders ausgedrückt: Man kann den Lügen der AfD nur mit dem Mut zur Wahrheit und einer konkreten politischen Problemlöseagenda, die den Grundbedürfnissen der Menschen Rechnung trägt, den Wind aus den Segeln nehmen. Den meisten Menschen ist vermutlich ohnehin mehr oder weniger bewusst, dass viele der AfD-Behauptungen auf tönernen Füßen stehen. Wie soll es denn möglich sein, die Menschen, die nach Europa wollen, dauerhaft fern zu halten? Selbst mit militärischen Anstrengungen wird dies kaum möglich sein.
Was allerdings gebraucht wird, sind Regeln, wie ein gutes Zusammenleben aussehen soll, auch um die Kulturunterschiede von Migranten und nicht-Migranten zu überbrücken. So ist es auch ein politisches Versäumnis, die selbstverständlich auftretenden sozialen und kulturellen Probleme und Konflikte, die mit Migration notwendigerweise einhergehen, bis heute nur unzureichend in Angriff genommen zu haben. Diese Regeln müssen aber für alle Migranten gelten und es muss klar sein, dass es auch die Aufgabe der Migranten ist, an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten.
» Der in der Migrationsdebatte omnipräsente Paternalismus stabilisiert den Opferstatus der Eingewanderten und stellt ihre Entmündigung auf Dauer. Gefordert sind hingegen Strategien der Selbstermächtigung der Geflüchteten durch ihre Einbeziehung in soziale Interessenkämpfe. Das Ziel ist nicht gut gemeinte Fürsorge, sondern die Sozialintegration sukzessive an Autonomie gewinnender Subjekte in interessenpolitische Solidarverbünde (Urban 2018, S. 110).
Auch ist es für die Menschen in den westlichen Industrienationen keineswegs möglich, ihren konsumorientierten Lebensstil beizubehalten und gleichzeitig einen für Generationen bewohnbaren Planten zu hinterlassen. Wie Ulrich Brand und Markus Wissen (2017) in ihrem Buch Imperiale Lebensweise: Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus darlegen, leben wir nicht nur auf Kosten der Menschen des globalen Südens, sondern auch auf Kosten zukünftiger Generationen. Eine politische Organisation (z. B. Partei, NGO), die gegen die AfD etwas ausrichten will, muss den Mut zur Wahrheit haben, unbequeme Themen ansprechen und – unter Einbeziehung der Bürger*innen und mithilfe der Wissenschaft – nach Lösungen suchen. Zu guter Letzt müssen non-materialistische Narrative vom guten Leben entwickelt werden, die eine Orientierung bieten können, wie ein gutes Leben für alle aussehen könnte. Da zwar sehr intensiv beforscht wird, warum Konflikte aufkommen, aber wenig bekannt ist, wie Frieden entsteht, besteht hier immenser Forschungsbedarf. „
Zitatende aus: Walther, E., & Isemann, S. D., (2019) S.20f
Literatur: alle Zitate stammen aus:
Walther, E., & Isemann, S. D., (2019). Die AfD – psychologisch betrachtet,
von Prof Dr. Eva Walther & Simon D. Isemann, 59,99 Euro,
dort wird zitiert:
Brand, U., & Wissen, M. (2017). Imperiale Lebensweise: Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen
Kapitalismus. München: oekom.
Decker, O., & Brähler, E. (2018). Flucht ins Autoritäre. Rechtsextreme Dynamiken in der Mitte der. Psycho-
sozial-Verlag: Gesellschaft.
Urban, H. J. (2018). Epochenthema Migration: Die Mosaiklinke in der Zerreißprobe? Blätter für deut-sche und
internationale Politik, 9/2018, 101-112. • http://www.ankehassel.de/downloads/urban_ epochenthema_migration.pdf.
Weitere Hinweise:
Das neue Buch von Rothmund & Walther (Hrsg.) 2024: erscheint am 30.6.24 (Taschenbuch) : Psychologie der Rechtsradikalisierung: Theorien, Perspektiven, Prävention, Taschenbuch, 39 Euro
Kompetenzzentrum in Jena: KOMREX